Die Tagung „Visualität als Wirkungsdimension von Lyrik“ beschäftigt sich mit der (typo)grafischen Struktur von Lyrik und ihrer visuellen Wahrnehmung und Wirkung im Leseprozess seit dem 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Der Fokus liegt dabei nicht auf experimenteller Lyrik, sondern auf jenem Gros an lyrischen Texten, die in (zumindest rudimentärer) Versform angeordnet sind, ob metrisch geregelt, freirhythmisch oder prosanah.
Im Unterschied zu anderen literarischen Gattungen wird Lyrik bis in die Gegenwart ungeachtet der faktischen Rezeption meist als auditiv adressierte Textsorte aufgefasst und hinsichtlich ihrer prosodischen, nicht aber hinsichtlich ihrer visuellen Struktur und Wirkungsweise analysiert. Beim Prozess des Lesens wird im visuellen Abtasten die Räumlichkeit der Zeilenordnung wahrgenommen. Bei Texten in Versform ist das Zeilenende definiert, es legt zugleich die räumliche Position aller anderen Textelemente auf der horizontalen wie auf der vertikalen Achse fest. Verse werden, besonders wenn sie nicht metrisch sind, allein durch ihre grafische Anordnung als solche definiert.
Die Frage nach der visuellen Wirkungsdimension von Lyrik verbindet literatur-, medien-, sprach- und kunstwissenschaftliche Aspekte mit Aspekten der Leseforschung sowie der Typographie- und der Buchgeschichte. Das Spektrum an grafischen Gestaltungs- und Visualitätseffekten von Lyrik und die Möglichkeit ihrer Beschreibung und Analyse sollen interdisziplinär diskutiert werden.